Filmtipp #767: Kiki, el amor se hace

Kiki, el amor se hace

Originaltitel: Kiki, el amor se hace; Regie: Paco León; Drehbuch: Paco León, Fernando Pérez; Kamera: Kiko de la Rica; Musik: Ale Acosta; Darsteller: Natalia de Molina, Álex García, Belén Cuesta, Paco León, Ana Katz. Spanien 2016.

Diese spritzige spanische Sommerkomödie ist eines der raren Beispiele dafür, dass das Remake durchaus besser sein kann als das Original. In diesem Falle hat sich Paco León, Regisseur, Autor und Schauspieler in Personalunion, daran gemacht, die australische Klamotte »The Little Death« (Regie: Josh Lawson) für Europa zu adaptieren. Heraus kam eine filmische Liebeserklärung an den Madrider Sommer, an die Liebe und die Lebenslust, den Tanz und den Sex in allen nur vorstellbaren Variationen.
Mit Selbstironie und einer beispiellosen Leichtigkeit führt »Kiki, el amor se hace« mehrere Paare mit ihren individuellen Vorlieben und Fetischen zusammen. Natalia (de Molina) beispielsweise entdeckt die Harpaxophilie für sich, also die sexuelle Erregung durch Raubüberfälle, was ihren Freund Alejandro (García) vor besondere Herausforderungen stellt. Paco (León) und Ana (Katz) möchten ihren erotischen Horizont mit Besuchen in Swingerclubs erweitern und entdecken mit Belén (Cuesta) ihre polyamouröse Ader. José Luis (Luis Bermejo) ist in seiner Ehe mit der an den Rollstuhl gefesselten Zimtzicke Paloma (Mari Paz Sayago) nicht mehr besonders glücklich — bis er rein zufällig die Freuden der Somnophilie kennen lernt. Die an Anorgasmie leidende Candela (Candela Peña) findet Tränen bzw. durch Weinen verzerrte Gesichter sexuell stimulierend und ist somit dacryphil. Sie wird besonders kreativ darin, ihren Mann (Luis Callejo) zum Heulen zu bringen. Des Weiteren werden noch Urophilie, Eliphilie und Dendrophilie vorgestellt. Das sind nur einige der besonderen Möglichkeiten, Vergnügen zu finden, aber um sie zu genießen, müssen die Protagonisten entscheiden, wie sie sie in ihr Leben integrieren wollen — oder auch nicht. Sie überschreiten eigene Grenzen und brechen Tabus, um ihre Ängste, ihre Gefühle und vor allem ihre ambivalente Sexualität zu entdecken und zu transformieren. Für diesen Mut, sich selbst zu erkennen und zu sich zu stehen, werden sie belohnt: Am Ende schaffen sie alle, eine neue, aufregende und freie Bühne zu betreten, auf der ihnen weder Lust noch Liebe verweigert werden.

Ein rundum liebenswerter Film, der mit Liebe zum Detail, vor allem aber für seine Figuren inszeniert wurde. Der offen bisexuelle Paco León zeigt seine Schauspielerinnen und Schauspieler in all ihrer Schönheit, Unsicherheit, Verletzlichkeit und Stärke. Die erotischen Szenen sind locker-leicht, niemals erzwungen und oft mit einer Prise Humor gewürzt. In einer Szene wird Alexandra Jiménez, deren Figur durch Seide in Ekstase gerät, in der U-Bahn von einem Orgasmus überrascht. In einer Nachtclub-Szene wird der verdutzte Paco León von Sergio Torrico gebeten, ihn anzupullern. Er möchte niemandem vor den Kopf stoßen und höflich bleiben und sucht nach Wegen, würdevoll aus dieser Situation zu kommen.

»Kiki, el amor se hace« wurde unter anderem für vier Goyas vorgeschlagen. Auf der Nominierungsliste standen Candela Peña, die heiße Belén Cuesta, das Drehbuch sowie der Titelsong. Der Soundtrack insgesamt ist perfekt für fröhliche Sommerpartys (unter anderem der Song »Enamorada« von Pedrina y Río), und in Nebenrollen sieht man unter anderem den zuckersüßen David Mora als taubstummen Telefonsexjunkie, Maite Sandoval, Blanca Apilánez, Javier Rey und Alberto Velasco. Es geschieht nicht oft, dass ein Film bis in die kleinste Rolle so brillant besetzt ist. Und am Ende, ja, da tanzen alle durch die Madrider Partynacht.
Im Juli und August 2015 gedreht — unter anderem in der Calle Gran Vía de San Francisco, in der Calle Rosario, in Las Rozas, Navalcarnero und Alcórcon —, wurde »Kiki, el amor se hace« zu einem der größten Kassenknüller der kommenden Kinosaison und wurde auch international gefeiert. Nur der deutsche Markt griff nicht zu. (Man kann die DVD mit englischen Untertiteln aus Spanien bestellen.) Dies ist ein wundervoller Film, den man sich mit guten Freunden an heißen Sommerabenden immer und immer wieder anschauen kann! Ich liebe ihn!

André Schneider

4 thoughts on “Filmtipp #767: Kiki, el amor se hace

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