Filmtipp #603: A Quiet Place

A Quiet Place

Originaltitel: A Quiet Place; Regie: John Krasinski; Drehbuch: Bryan Woods, Scott Beck, John Krasinski; Kamera: Charlotte Bruus Christensen; Musik: Marco Beltrami; Darsteller: Emily Blunt, John Krasinski, Millicent Simmonds, Noah Jupe, Cade Woodward. USA 2018.

Eigentlich, so erzählte John Krasinski einem Journalisten, könne er mit Horrorfilmen nichts anfangen. Er sei zu schreckhaft. Als »A Quiet Place« an ihn herangetragen wurde, war er zunächst wenig interessiert. Doch dann konnte er bei der Familiengeschichte andocken. Familie, das sei sein Thema. Wie dem auch sei: Krasinskis dritter Kinofilm als Regisseur ist ein haarsträubend spannender Endzeit-Thriller geworden, der auf allen Ebenen mehr als solide funktioniert. »A Quiet Place« ist eine der besten Produktionen des Kinojahres 2018 — und einer der wenigen Filme, die die Zeit überdauern und »bleiben« werden. (Ob die Fortsetzung, die Paramount gerade in Auftrag gegeben hat, eine gute Idee war, wird sich zeigen.)
Der Streifen ist eine Dystopie, und Krasinski wirft uns gleich mitten hinein. Offenbar hat auf der Erde eine Invasion stattgefunden. Die außerirdischen Wesen — keine Vegetarier! —, welche nun die Welt bevölkern, sind zwar blind, werden aber durch die kleinsten Geräusche angelockt und sind blitzschnell. Die fünfköpfige Familie Abbott kämpft in dieser lautlos gewordenen Welt ums Überleben. Die Abbotts haben ausgeklügelte Strategien entwickelt, sich absolut lautlos zu verhalten. Sie bewegen sich barfuß und auf Zehenspitzen voran und kommunizieren in Gebärdensprache miteinander, die sie aufgrund der Tatsache, dass ihre Tochter Regan (Simmonds) gehörlos ist, einwandfrei beherrschen. Gleich in einer der ersten Szenen wird der kleine Sohn der Familie (Woodward) von einem der Aliens getötet. Zeitsprung. Die Familie leidet ein Jahr später immer noch unter dem Tod des Jungen. Die Mutter (Blunt) ist hochschwanger und bereitet sich auf die Geburt des Kindes vor. Der Alltag der Familie ist an das Leben in Stille angepasst. Knarrende Holzdielen werden farbig markiert, damit sie umgangen werden können. Ums Grundstück herum verlaufen Sandpfade, auf denen man sich praktisch lautlos bewegen kann. Beim Abendessen wird auf Geschirr und Besteck verzichtet. Die Kinder haben ein Monopoly-Spiel mit kleinen Schwämmchen als Spielfiguren. Die Geburt des Babys stellt die Familie vor große Schwierigkeiten, Vater (Krasinski) und Mutter müssen vorausschauend denken und alles genau planen. Ein schalldichter Raum wird gebaut. Es gibt eine kleine Holzkiste für den Säugling, damit die Schreie gedämpft werden. Doch leider nützen in einer chaotischen Welt auch die besten Pläne nicht immer was, und so wird ein aus der Treppe ragender Nagel zu einer unerwarteten Gefahrenquelle…

Das Ehepaar Blunt-Krasinski, im wirklichen Leben selbst Eltern zweier Kinder, zögerte zunächst, als sich die Gelegenheit einer Zusammenarbeit bot. Glücklicherweise konnten sie ihre Bedenken über Bord werfen. Emily Blunt spielt unter der Ägide ihres Mannes einfach großartig. Gedreht wurde von Mai bis November 2017 im Bundesstaat New York. Mit Maispflanzen, die sich über 24 Hektar erstreckten, und einem riesigen Metallsilo, der mit 20 Tonnen Mais aufgefüllt wurde, sollte optisch die Illusion entstehen, man befände sich im Mittleren Westen. (Die Drehbuchautoren stammen aus Colorado bzw. Iowa.) Besondere Erwähnung verdient das ausgefeilte Sounddesign, das jedes alltägliche Geräusch zu einem Schock werden lässt. Marco Beltramis Musik wird sparsam und effektiv eingesetzt. Krasinskis Arbeit wurde von den Kritikern weltweit in den höchsten Tönen gelobt — mit Ausnahme von ein paar deutschen Stimmen (Fabian Holzmann, Antje Wessels und »Stern Online«). Ich verzichte aus Zeitgründen auf eine ausführlichere Analyse und lege Euch »A Quiet Place« einfach ohne weiteren Kommentar ans Herz und hoffe, damit auch diejenigen, die mir gelegentlich vorwerfen, ich würde das zeitgenössische Kino nicht wertschätzen, ein wenig besänftigen zu können.

André Schneider

2 thoughts on “Filmtipp #603: A Quiet Place

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